„Gegen Diskriminierung aufstehen“

Feierliche Stolperstein-Verlegung unter großer Anteilnahme der Bevölkerung / Wertvolle Begegnungen mit Angehörigen

 

Von Luitgard Müller (Text + Bilder Meinerzhagener Zeitung 30.08.2014)

 

MEINERZHAGEN  „Healing and peace to all of you – Heilung und Frieden für Sie alle!“ Mit diesem Wunsch, den Sheri Stern nach dem Kaddisch, dem wohl bekanntesten jüdischen Gebet, an den beiden Verlegeorten der Stolpersteine sprach, brachte sie gleichzeitig die Intention zum Ausdruck, die die Mitglieder jener Initiative bewegte, die sich für diese Art der Erinnerung in Meinerzhagen einsetzt. Nachdem vor rund einem Jahr bereits 17 Stolpersteine verlegt worden waren, kamen gestern 13 weitere vor dem Haus Zur Alten Post 8, früher Hauptstraße 6, und dem Gebäude Kirchstraße 5 hinzu. Einmal mehr wurden sie vom Kölner Künstler Gunter Demnig unter großer Anteilnahme der Bevölkerung verlegt. Und einmal mehr nahmen auch Familienangehörige der jüdischen NS-Opfer daran teil.

Bürgermeister Jan Nesselrath begrüßte Gail Stern und ihren Bruder Jeffrey Stern mit seiner Ehefrau Sheri, die auf den Spuren ihrer Vorfahren aus Baltimore in den USA angereist waren, sowie Shaked Spector, den Urenkel von Walter Rosenthal, der mit seiner ganzen Familie auch bei der ersten Verlegung dabei war. „Diese Begegnungen sind sehr wertvoll, da sie die überaus guten Beziehungen stärken, die Stadt und Bürgerschaft seit langen Jahren mit den Nachkommen und Angehörigen unserer ehemaligen Mitbürger haben“, sagte Nesselrath. Sein Dank galt der Stolperstein- Initiative für ihr Engagement, das Andenken an die NS-Opfer der Stadt lebendig zu halten. „Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, machte er mit einen Zitat des Philosophen George Santayana deutlich.

Herbert Langenohl von der Stolperstein-Initiative sprach sich in seiner Ansprache für konkrete Maßnahmen aus, „denn nie wieder dürfen solche Ungeheuerlichkeiten, wie sie unsere früheren Mitbürger erleiden mussten, geschehen.“ Aufgabe der Erziehung und der Schulen sei es, das Selbstwertgefühl der heranwachsendenGeneration zu stärken und die Mechanismen durchschaubar zu machen, die ausgrenzendes und menschenverachtendes Verhalten hervorrufen. „Es gehört Mut dazu, gegen Diskriminierung aufzustehen. Dieser Mut muss im Alltag immer wieder eingeübt werden.“

Während der Verlegung der Steine wurden von Meinerzhagener Schülern die Kurzbiografien der Familien Stern verlesen. Musikalisch umrahmt wurde sie von Mitgliedern der Gruppe Among Friends und dem jungen GitarristenBenjamin Tanzius.

 

 

"Die Erinnerung vor Ort ist besonders wirkungsvoll"

Öffentliches Gedenken und Begegnungen am Rande der Stolpersteinverlegung

 

Von Luitgard Müller (Text + Bilder Meinerzhagener Zeitung 30.08.2014)

 

MEINERZHAGEN  „Erinnerung ist am wirkungsvollsten, wenn sie vor Ort geschehen kann und mit ganz konkreten Schicksalen verbunden ist“, sagte Herbert Langenohl von der Bürgerinitiative gestern bei der zweiten Verlegung von Stolpersteinen im Stadtgebiet. Und diese besondere Art des Gedenkens im öffentlichen Raum wird offensichtlich von vielen Meinerzhagenern begrüßt, wie die große Zahl der Menschen zeigte, die sich zuerst auf der ehemaligen Hauptstraße (Zur Alten Post) und später auch an der Kirchstraße versammelte und den Kurzbiografien der Mitglieder der Familien Stern lauschte.

Auch Bundestagsabgeordnete, Petra Crone von der SPD und Dr. Matthias Heider von der CDU, waren gekommen, und Angehörige der Opfer des NS-Regimes waren ebenfalls wieder dabei. Begrüßt wurden Gail Stern und ihr Bruder Jeffrey mit seiner Frau Sheri bereits am Donnerstagabend im evangelischen Gemeindehaus. Dort waren sie zu einem Bufett eingeladen und hatten anschließend auch die Gelgenheit, sich mit drei Zeitzeugen zu unterhalten.

Wegen einer Fußverletzung hatte Karl-Wilhelm Schrick, der heute in Hamburg lebt und ein Klassenkamerad von Erwin und Kurt Stern war, absagen müssen. „1983 besuchte Erwin Meinerzhagen und umarmte freudig jeden, den er kannte. Er war mir ein liebenswerter fröhlicher Mitschüler“, schrieb Schrick und drückte sein Bedauern aus. Erwin Stern und Erna Schwarz, geborene Stein, die Großtante der Gäste aus den USA waren nach Baltimore geflüchtet. Gail und Jeffrey Stern sind die Kinder von Ralph (Rolf) Stern, der in Hohenlimburg lebte und als einziger der Familie überlebte, weil ihm die Flucht in die USA gelang. Auch in dem Hagener Stadtteil wurden gestern für diese Familie Stern Stolpersteine verlegt.

 

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